Es begann wie so oft bei Animal Hoarding- Fällen: Nachdem zwei Enkel vor etwa zehn Jahren unkastrierte Tiere geschenkt bekamen und der Bestand, wen wundert´s, schnell wuchs, hatte sich die Oma bereit erklärt, die Kaninchen zu übernehmen. Die unkontrollierte Vermehrung ging weiter und auch die regelmäßigen Verkäufe über Internet- Kleinanzeigen konnten nicht verhindern, dass sich am Ende über 60 Hoppler in dem engen Gefängnis drängten.
Animal Hoarding-Fall im Landkreis Teltow- Fläming: aktion tier übernimmt 62 Kaninchen von Animal Hoarderin
Das Gehege ist ca. 2x3 Meter groß. Oder besser gesagt klein – viel zu klein für die unzähligen Kaninchen, die uns eine Rentnerin auf ihrem Grundstück im Landkreis Teltow Fläming zeigt.
Eine beherzte Nachbarin bat uns Anfang Mai im Namen der Halterin um Hilfe und nach ein paar Tagen der Planung standen wir mit zahlreichen Transportboxen vor der Tür. Zum Glück befindet sich das aktion tier- Tierheim Zossen in der Umgebung. Hier arbeiten fachkundige Menschen und eine Tierärztin, die auch bei größeren Tierschutzfällen helfen können und sofort bereit waren, bei der Rettungsaktion mitzumachen. Vor Ort stand erst einmal die Geschlechterbestimmung im Vordergrund, um eine weitere Vermehrung in Zukunft zu verhindern. Die 26 Kaninchenböcke und 36 Häsinnen, wurden voneinander getrennt und ins Tierheim gefahren.
Dort warteten schon mehrere Quarantänezimmer, die kaninchengerecht mit Versteckmöglichkeiten, Toiletten, Wasserschalen, viel duftendem Heu, getrockneten Kräutern, frischen Grünzeug, Gemüse und Zweigen zum Benagen ausgestattet waren. Vorsichtig kamen die Tiere aus den Boxen, um ihr neues Zuhause mit den vielen, bis dahin unbekannten Köstlichkeiten zu erkunden.
Wir haben es hier ganz klar mit einem Animal Hoarding- Fall zu tun, da die vielen Kaninchen nicht tierschutzkonform gehalten wurden. Das Gehege war verdreckt und die Tiere konnten sich nicht artgerecht bewegen. Möglichkeiten zum Buddeln waren auch nicht vorhanden. Der hohe Populationsdruck führte zu Streß und aggressivem Verhalten.
Wie der erste Tierarzt-Check einige Tage nach der Übernahme zeigte, wiesen die meisten erwachsenen Kaninchen alte und auch frische Bissverletzungen auf. Viele Ohren waren geschlitzt oder es fehlte ein Stückchen. Auch die Rücken der Tiere waren durch aggressive Rammelversuche zum Teil ohne Fell und arg ramponiert. Sehr schlimm sahen die Genitalien vor allem der Männchen aus. Bißverletzungen an den Hoden waren bei fast allen Böcken vorhanden, einem fehlte sogar die Penisspitze. Bei einem Tier waren beide Hoden durch Bisse aufgeplatzt und das Hodengewebe ausgetreten. Diesen Rammler hat die Tierärztin gleich in Karkose gelegt und kastriert. Das Tier muss furchtbare Schmerzen gehabt haben.
Die Halterin hat das alles angeblich nicht bemerkt und daher auch keinen Tierarzt aufgesucht. Gegenseitiges Schubsen oder Zwicken ist zwischen Kaninchen normal. Allerdings war keines der Tiere kastriert und potente Böcke können sich so lange bekämpfen, bis einer der Rivalen tot ist. Hinzu kommt, dass die distanzlose Enge in ihrem früheren Zuhause die Tiere enorm gestresst hat, so dass sie einander schwer verletzt haben, um sich selbst oder ein kleines Stückchen Lebensraum zu verteidigen.
In diesen schlimmen Verhältnissen wurden die Häsinnen permanent gedeckt, konnten dann jedoch nicht in Ruhe Nester bauen und ihre Jungen zur Welt bringen. Die Neugeborenen wurden von den anderen Tieren größtenteils gefressen oder verstümmelt. Bei der Rettungsaktion wurden zwei tote Kaninchenbabys im Gehege entdeckt. Es grenzt an ein Wunder, dass einige Jungen trotzdem in der großen Gruppe überlebt haben. Bei einem fehlt ein Vorderfuß, ein anderes hat nur ein Ohr. Die Halterin gibt zu, die Schreie der malträtierten Tiere gehört zu haben, war aber außer Stande, einzugreifen.
Unsere Tierärztin hat am ersten Untersuchungstag alle geschlechtsreifen weiblichen Tiere mittels Ultraschall untersucht. Die meisten waren trächtig. Bei manchen Häsinnen konnte man im Ultraschall schon den Herzschlag der Föten sehen, was ab dem 21. Tag der Trächtigkeit möglich ist. Die Trächtigkeitsdauer beträgt im Durchschnitt 31 Tage. Wir werden also in absehbarer Zeit im Tierheim Nachwuchs bekommen.
Eine weitere schlechte Nachricht: die Untersuchung des Kaninchenkots ergab Kokzidien. Es handelt sich hierbei um einzellige Darmparasiten, die den Darmtrakt schädigen. Zum Beispiel durch Streß aufgrund von Massenhaltung und wenig Platz wie bei unseren Pfleglingen können sich die Kokzidien stark vermehren und zu dünnflüssigem Durchfall, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust führen. Vor allem bei jungen, alten und geschwächten Kaninchen kann die Kokzidose zum Tod führen. Sofort wurde mit der medikamentösen Behandlung sämtlicher Tiere begonnen und verstärkt auf Hygiene in den Quarantänezimmern geachtet.
Natürlich wurden auch alle Hoppler gechippt sowie gegen Myxomatose und die Rabbit Haemorrhagic Disease (RHD) geimpft. Das sollte für Kaninchenhalter selbstverständlich sein. Die Halterin hat jedoch aus Geldmangel oder Unwissenheit keine Impfungen vornehmen lassen. Trotzdem ist ihr anzurechnen, dass sie ihre Überforderung eingesehen hat und um Hilfe bat. Die meisten Tiermessies sind uneinsichtig und versuchen mit allen Mitteln, jegliche Veränderungen der tierquälerischen Zustände zu verhindern. Voraussetzung für unsere Hilfe war allerdings, dass die Rentnerin, die sich nicht an den Kosten beteiligen konnte, uns zumindest eine Erklärung unterschrieb. In dieser verpflichtet sie sich, nie wieder Kaninchen, Meerschweinchen oder ähnliches aufzunehmen oder anzuschaffen. Mit einer regelmäßigen Kontrolle durch unsere Mitarbeiter war sie einverstanden. Das ist besonders wichtig zumal wir wissen, dass Animal Hoarder zu über 90% rückfällig werden.
Wenn alle Kaninchen gesund und die Männchen kastriert sind, dürfen die Tiere in unser Kleintierhaus umziehen, wo sie auf Kaninchenfreunde warten, die sie adoptieren möchten.
Die futtern ganz schön was weg
Unsere geretteten Kaninchen haben einen Bärenhunger. Ihre natürliche Nahrung besteht vor allem aus Grünfutter wie Gräsern, Kräutern, Blättern und Gemüsepflanzen. Im Tierheim legen wir viel Wert auf eine artgerechte Ernährung und besorgen daher täglich mehrere Ladungen „Grünzeug“. Zum Glück ist die Jahreszeit günstig, um auch in der Natur junge Gräser und Kräuter für sie sammeln können. Zusätzlich bekommen die Hoppler viel getrocknetes Heu, ein paar Handvoll getrocknete Kräuter mit Blüten sowie Haselzweige zum Benagen.
Die Tiere lassen sich das reichhaltige Nahrungsangebot im Tierheim schmecken. Kein Wunder, da es in ihrem früheren Zuhause meist nur Karottenstückchen und Pellets gab. Letztere sind auch noch ungesund, da sie meistens Getreide enthalten, welches Kaninchen in großen Mengen nicht verdauen können.
Grünzeug- Schnippler gesucht!
Wenn Sie Interesse an der Aufnahme von mindestens 2 Kaninchen haben, wenden Sie sich bitte an das aktion tier Tierheim Zossen telefonisch unter 03377 – 20 15 17 oder per mail unter zossen[at]aktiontier.org.
Video: aktion tier übernimmt 62 Kaninchen von Animal Hoarderin
Informationsportal "Animal Hoarding"
Wir bei aktion tier e.V. sind fest davon überzeugt, dass Aufklärung und Prävention entscheidend sind, um Animal Hoarding zu bekämpfen. Daher möchten wir Sie ermutigen, unsere Animal Hoarding Webseite zu besuchen.
Dort haben wir detaillierte Informationen rund um das Thema zusammengetragen, berichten von Animal Hoarding Fällen und klären wichtige Fragen.